Ich weiß ja nicht, wie es Dir geht, aber mich überfordern diese ganzen Möglichkeiten, Angebote und Reize da draußen ganz ganz häufig. Man wird überflutet von Informationen, Emails, Briefen und anderweitigen Nachrichten und alles möge ja bitte umgehend erledigt werden – am liebsten gleich gestern. Da sehnen wir uns doch alle nach einer gewissen Gewohnheit und Vertrautheit, nach etwas, was uns im stressigen Alltag Ruhe, Halt und Sicherheit gibt…
Und genau an diesem Punkt kann es von ganz großem Nutzen sein, kleine Rituale in den Alltag einzubauen. Bei einem Ritual nehmen wir zum Beispiel wiederholt und gleichbleibend eine Handlung vor oder haben ein regelmäßiges Vorgehen. Wir kennen Rituale in unserer westlichen Welt in der Form, durch Traditionen und Bräuche bestimmte Zeremonien wie an Weihnachten, Ostern aber auch zu Taufen, Hochzeiten und Trauerfällen zu „durchlaufen“. Rituale können Wirkungen wie Wurzeln und Anker haben und uns dabei das Gefühl von Vertrautheit geben – etwas, was uns bekannt ist und sich gut anfühlt. Und da kommst Du ins Spiel! 🙂
Hast Du Deine eigenen Rituale?
Schau doch mal bei Dir selbst, welche Rituale Du vielleicht schon ganz automatisch und unbewusst in Deinen Alltag einbaust, um all den täglichen An- und Herausforderungen gewachsen zu sein und alles zu „wuppen“. Wir können uns diese Rituale bewusst gestalten und ihnen einen Raum geben – durch Dinge, die uns zum Beispiel Freude bereiten und Spaß machen. Gewohnheiten und Rituale sind dabei oft schwer zu unterscheiden beziehungsweise die Übergänge auch manchmal fließend. Viele Psychologen und Psychotherapeuten bestätigen die positive medizinische Wirkung von Ritualen, durch die wir entspannen können, oder uns Zeit zum Innehalten geben. Unsere Wahrnehmung ist dann darauf fokussiert, was uns wichtig ist. Ob Du es glaubst oder nicht, als ich mir über diesen Blogartikel Gedanken machte, unterhielt ich mich gerade mit einer Freundin, die Biologielehrerin ist, und da fielen mir gleich einige Rituale in der Tierwelt ein: Ob bei der Balz oder auch Ereignissen der Trauer. Und das Gleiche gilt für uns Menschen. Wir kennen Rituale in Zeiten des Glücks und Zeiten von Krisen…
Ich habe vor ein paar Jahren schon aus gesundheitlichen Gründen ein neues Bewusstsein für meinen Körper und meinen Gefühlszustand entwickeln und Wege finden müssen, um entsprechend reagieren zu können. Mein Morgen beginnt immer schon weit bevor der andere Teil der Familie aufsteht. Ich lasse den Hund in den Garten und atme dabei tief ein. Mit frischer Luft starte ich gut in den Tag. Und am Abend blättere ich grundsätzlich in meinen Geschenkbüchern mit Lebensweisheiten und Zitaten, um den Tag gut abschließen zu können. Das ist mein Ziel: Mit positiven Gefühlen und nicht verärgert oder grübelnd in die Nacht zu gehen.
„In der Gewohnheit ruht das einzige Behagen des Menschen.“
Johann Wolfgang von Goethe
Rituale von klein auf an schaffen
Gerade für Kinder sind Rituale besonders wichtig. Ich versuche diese bereits bei meinem kleinen Sohn herzustellen und jeden Tag zu festigen. Schon wann und wie wir morgens frühstücken, nachmittags Spielzeiten haben, Bücher anschauen, ich ihm vorlese oder auch, wenn ich ihn abends ins Bett bringe… Er ist sich nun der Bedeutung von Ritualen zwar noch nicht genau bewusst, dennoch nehme ich wahr, dass sie ihm wichtig sind und sich gut anfühlen. Bei alledem, was er täglich Neues lernt, kommen ihm bestimmte Dinge in seinem Tagesablauf dann immer wieder bekannt vor und das verschafft Sicherheit und Vertrauen. Gerade in den ersten Lebensjahren ist es für diese kleinen Menschen wichtig, ein sogenanntes Urvertrauen zu entwickeln, damit sie sich bewusst wahrnehmen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln und später Krisen meistern können – durch Symbole, Gesten oder was ihnen noch vertraut und angenehm ist. Hier wird deutlich, dass Rituale das Wohlbefinden fördern und uns Energie sowie Selbstvertrauen geben können. Das Zitat von Goethe finde ich an dieser Stelle schön und passend:
„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“
Ich schenke meinem Sohn besonders durch unsere gemeinsamen Rituale die Anerkennung und Geborgenheit, die er braucht, um bewusst Selbstvertrauen zu entwickeln. Und dann hat er auch wieder seine Zeit, um die Welt zu entdecken, zu spielen und die Zeit frei zu gestalten. Am Abend erzählt er mir, was er alles so erlebt und ihn beschäftigt hat, und festigt somit seine Wahrnehmung und Emotionen bei den Ritualen, die ihm wichtig sind…
Rituale fördern das Wohlbefinden am Arbeitsplatz
Aber auch später im Berufsleben können Ritualen für uns Menschen elementar sein. Schon für Auszubildende bringen Rituale am Arbeitsplatz mehr Ruhe in den täglichen Ablauf. Dafür müssen wir sie immer wiederholen. Sei es der Tee oder Kaffee am Morgen, während man den Computer hochfährt, oder eine kurze Entspannungssequenz in den ersten Minuten der Mittagspause… In der Beratungspraxis habe ich als Wirtschaftspsychologin für und mit Mitarbeitern Konzepte erstellt und entwickelt, wie mehr Beständigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz geschaffen werden kann – in einer Welt, die ja eigentlich gar nicht sicher ist. Klingt komisch, oder? Aber Sicherheit ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen und darauf sollten wir Rücksicht nehmen und gezielt agieren. Ich behaupte, dass bestimmte Rituale, die die Mitarbeiter mitgestalten dürfen, das Wohlbefinden fördern können, was sich wiederum positiv auf das Unternehmen auswirken wird – nicht nur monetär, sondern für die gesamte Unternehmenskultur und das menschliche Miteinander. Das zu implementieren ist selbstverständlich mit Aufgabe des Arbeitgebers, aber die Wahrnehmung und das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse liegen bei jedem selbst. Ich habe häufig beobachten könnten, dass das mit ein Ansatz bei einem hohen Krankenstand und Fluktuation sein kann. In der Theorie ist das oft so einfach gesagt, aber damit beginnt es letztendlich!
Ich wurde kürzlich von einer Redakteurin der Zeitschrift Emotion interviewt, für die ich Mitglied der EMOTION.Coaching-Datenbank bin. Es ging um die Frage, wie man als Führungskraft damit umgeht, wenn man gerade eine Abteilung übernommen hat, in der ein hoher Krankenstand herrscht. Da ich immer wieder die zunehmende Wichtigkeit von Stress-Prävention im Rahmen von Feelgood Management am Arbeitsplatz betone, war das eine gute Einleitung und für diesen Artikel ebenfalls ein gutes Beispiel für den Nutzen von Ritualen.
Ritualen einen festen Platz im Alltag geben
Aber auch ganz allgemein im Alltag können uns Rituale helfen, denn wir Menschen sind einfach Gewohnheitstiere. 🙂 Ich bin immer ganz empört darüber, wie unterschätzt und abgewertet die Arbeit rund um den Haushalt wird. Sei es die Wäsche, der Einkauf, die Spülmaschine, die plötzlich kaputt geht, oder das Kind, was hier hin und da abgeholt werden möchte. Zwischendurch ein paar ungeplante Anrufe, den Hund spazieren führen, hier saugen und da wischen, den Kühlschrank füllen, bitte dabei noch den Berufsalltag berücksichtigen, die Post beantworten (bei all den medialen Kanälen mit Reizüberflutungscharakter ja auch kein Thema), immer fit aussehen und ausgeschlafen am nächsten Tag wieder zur Tat schreiten. Der Partner, die Familie und Freunde haben auch noch ihren Platz und krank werden dürfen wir alle ja sowieso nicht, warum auch. Dabei bitte immer weiterbilden und noch etwas für die physische Fitness tun. Ja, sonst noch was?! 🙂
Vor allem zum Jahresende werde ich daher immer ein bisschen sentimental und denke oft an die Menschen, die nicht mehr bei uns sind, oder an diejenigen, denen es nicht so gut geht… Und dann, wenn es genau diese Ereignisse sind, die uns das Gefühl geben, dass uns jemand oder etwas den Boden weghaut, können unsere Rituale uns wieder Stabilität geben. Ereignisse und Emotionen, die uns bekannt vorkommen, und aus denen wir wieder Energie gewinnen können, helfen uns hier. Manchmal tun wir dies sogar ganz intuitiv. 🙂 Den ganzen Tag über sind wir ja unzähligen Anforderungen und Erwartungen ausgesetzt: zu entscheiden, ob wir etwas tun oder nicht tun, einzuschätzen, ob uns etwas guttut oder nicht und entsprechend unser Verhalten darauf auszurichten. Wir müssen reagieren und das kostet einfach Kraft und Nerven. Meistens ernten wir dabei dann noch Kritik und selten Lob, wenn etwas gut verlaufen ist.
Mein Tipp dafür: Erlerne zum Beispiel Atemtechniken, finde ein Buch, das Dir gefällt, und das Du immer wieder bei einem bestimmten Gefühl zur Hand nimmst, oder finde ein Kontrastprogramm, das Dir aus dem Herzen spricht, und mache es zu Deinem persönlichen Ritual: Cappuccino trinken, ein Lied hören oder einfach aus dem Fenster schauen…
Wir brauchen Phasen der Erholung
In unserem stressigen und hektischen Alltag, in dem die Welt zunehmend komplexer wird, brauchen wir schon aufgrund der eben genannten Beispiele Phasen der Erholung – physisch und psychisch. Über unser Online Institut haben Menschen die Möglichkeit, sich Entspannungsvideos anzufordern und entsprechend herunterzuladen, denn schon kleine und kurze Einheiten sind ausreichend, um bei sich anzukommen und die Akkus wieder aufzuladen. Auch in Firmen wird das zunehmend genutzt. Ein großes Stichwort ist hier Achtsamkeit – auch ein Thema in unserem 4-wöchigen Onlinekurs! Unsere Wahrnehmung gezielt darauf zu richten, wie es uns geht und wie wir uns fühlen, unterstützt uns dabei, dann genau die Handlungen vorzunehmen, die uns helfen. Rituale sind dafür eine tolle Möglichkeit und vermitteln uns schon unbewusst das Gefühl, dass wir uns wichtig nehmen und nicht bloß „funktionieren“.
Dieses Zitat von Henry Ford fand ich zum Jahresauftakt dafür sehr passend :
„Es hängt von Dir selbst ab, ob Du das neue Jahr als Bremse oder als Motor benutzen willst!“
Und zum Schluss: Verschaffe Dir immer wieder Orientierung
In Coachingprozessen, die meine KollegenInnen und begleiten, geht es ganz zu Beginn immer darum, Klarheit zu gewinnen: Darüber wo man steht, wie es einem geht und wohin „die Reise gehen soll“. Alles geht immer schneller, größer, höher, weiter. Da müssen wir bei uns selbst ansetzen und uns reflektieren. Unser Leben können wir als anstrengend empfinden oder als eine großartige Reise. Aber auch im Laufe von Veränderungsprozessen und beim Entwickeln und Manifestieren von Ritualen im Alltag ist eine Orientierung wichtig: immer wieder einen Abgleich zu machen. Verliere Dein Ziel nicht aus den Augen und lebe dafür, jeden Tag. 🙂 Das wünsche ich DIR wirklich von Herzen…
„Ein klares Ziel ist der Startpunkt jedes Erfolgs.“
W. Clement Stone
Wie steht es nun um Dich, hast Du Rituale, die Du mit uns teilen magst?
Ich freue mich über Rückmeldungen und/oder Kommentare! 🙂
Herzlichst,
Deine Christin